Bioaerosol- bzw. Keimimmissionen
Unter Bioaerosolen versteht man alle luftgetragenen Partikel biologischer Herkunft (VDI, 2014). Aus lufthygienischer Sicht relevant sind nach derzeitiger Einschätzung Bakterien, Pilzen, Viren bzw. Pollen. Sie können entweder Partikel bilden oder an Partikeln anhaften. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass an Partikeln auch nur Bruchstücke von Bakterien, Pilzen, Viren oder Pollen oder Stoffwechselprodukte von Bakterien, Pilzen oder Viren anhaften.
Als mögliche Quellen von Bioaerosolen sind Abfallverwertungs- und Entsorgungsanlagen (wie beispielsweise Abfallsortieranlagen, Umladestationen, Altholzaufbereitungsanlagen, Kompostieranlagen, Vergärungsanlagen, Deponien), Anlagen zur Herstellung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Nahrungs-, Genuss- und Futtermitteln (z. B. Tierhaltungen, Schlachtbetriebe, Tierkörperbeseitigungsanlagen), Kläranlagen, Biologische Abluftreinigungen (z. B. Biofilter), Biogasanlagen, Kühltürme u. a. zu nennen [siehe VDI-Richtlinienreihe 4255 (VDI, 2005; VDI, 2009)].
Aufgrund des steigenden Siedlungsdrucks bei gleichzeitig zunehmender Verbreitung und Größe der genannten Anlagentypen entstehen immer häufiger Nutzungskonflikte, sodass die Frage nach der Belastung der Bevölkerung durch Bioaerosolimmissionen und ihre gesundheitlichen Auswirkungen eine steigende Relevanz erhält.
In Deutschland liegen mehrere Studien vor, die gesundheitliche Auswirkungen bzw. Risiken durch die Exposition gegenüber Bioaerosolen feststellen (vgl. Tesseraux, 2012a; van Dort/Koch, 2012). Es sind derzeit jedoch keine Expositions-Wirkungsbeziehungen oder Wirkungsschwellen für Bioaerosole bekannt und es existieren auch keine Grenzwerte (Tesseraux, 2012b; Herr, 2012).
Die gesetzlichen Vorgaben zur Begrenzung mikrobieller Emissionen und Immissionen sind bislang nur allgemein formuliert. So schreibt die TA Luft (2021) für bestimmte Anlagen vor, "die Möglichkeiten, die Emissionen an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern, sind zu prüfen".
Mit der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (VDI, 2014) liegt ein erster Ansatz zur umweltmedizinischen Bewertung von Bioaerosol-Immissionen vor. Dabei erfolgt die Bewertung mittels der gemessenen Hintergrundkonzentration unter Berücksichtigung anlagenbezogener Leitparameter. Als Beispiele für Hinweise, die "eine Prüfung, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Bioaerosole von einer Anlage ausgehen" notwendig machen, nennt VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (VDI, 2014):
- Relativ geringer Abstand von wenigen 100 m zwischen Wohnort/Aufenthaltsort und Anlage
- ungünstige Ausbreitungsbedingungen, z. B. Kaltluftabflüsse in Richtung der Wohnbebauung
- weitere Bioaerosol emittierende Anlagen in der Nähe
- empfindliche Nutzungen (z. B. Krankenhäuser)
- gehäufte Beschwerden der Anwohner über gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Gemäß Tesseraux (2012b) wird die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) ein Fachgespräch zur Ausarbeitung einer Vollzugshilfe für Bioaerosole im Immissionsschutz durchführen. Weiterhin liegt die VDI-Richtlinie 4251 Blatt 3 (VDI, 2015), die sich mit der Ausbreitung von Bioaerosolen beschäftigt, vor.
Derzeit ist die behördliche Praxis bezüglich der Untersuchung von Bioaerosolen im Rahmen von immissionsschutz-rechtlichen Genehmigungsverfahren regional sehr unterschiedlich. Beispielsweise fordert der Landkreis Emsland (Niedersachsen) seit 2010 mit Berufung auf den Vorsorgegrundsatz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Erstellung von Keimgutachten im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Tierhaltungen (vgl. Müller, 2012; Kopmeyer, 2012). Dagegen stuft Frau Prof. Dr. C. Herr vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) die rechtliche Situation bei der Anwendung der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (VDI, 2014) wie folgt ein: ..."Deshalb gibt es immissionsschutzrechtlich keine Anhaltspunkte, die eine Schutzpflicht nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) begründen und emissionsmindernde oder -begrenzende Maßnahmen, die über den derzeitigen Stand der Technik hinausgehen, rechtfertigen könnten. Nach geltender Rechtslage ist es nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) unter Vorsorgegesichtspunkten allenfalls wünschenswert, jede Erhöhung von Immissionskonzentrationen gegenüber Hintergrundwerten zu vermeiden.... "
Prinzipiell ist für eine sachgerechte Bewertung der Auswirkungen geplanter Anlagen auf die Bioaerosolbelastung die Kenntnis der zu erwartenden Zusatzbelastungen an Bioaerosolen notwendig. Dazu sind die Emissionen und die daraus resultierenden Immissionsbelastungen mittels Ausbreitungsrechnungen zu prognostizieren. Diese speziellen Aufgaben bearbeiten wir in engem Kontakt mit den an der Realisierung eines Vorhabens Beteiligten (Planern, Fachbehörden, Fachgutachtern, etc.).
Wir bieten an:
- klimatische Vorprüfung bzgl. ungünstiger Ausbreitungsbedingungen und Kaltluftabflüssen
- Emissionsberechnungen für Keime (Bioaerosole) entsprechend Stand der Technik
- Ausbreitungsrechnungen für Keime (Bioaerosole) entsprechend Stand der Technik auch unter komplexen topografischen und meteorologischen Verhältnissen
- Untersuchung von Minderungsmaßnahmen entsprechend Stand der Technik.
Zur Berücksichtigung komplexer topografischer und meteorologischer Verhältnisse nutzen wir unsere langjährige Erfahrung mit den geeigneten Ausbreitungsmodellen (AUSTAL bzw. LASAT, je nach Fragestellung gekoppelt mit MISKAM, KALM oder METRAS).
Zur Ermittlung der Gesamtbelastung (Summe aus Zusatzbelastung und Vorbelastung) kann eine Messung der Vorbelastung erforderlich sein. Das hierzu erforderliche Vorgehen ist in der VDI-Richtlinie 4251 Blatt 4 (VDI, 2017) festgelegt. Wir vermitteln gerne Kontakte zu entsprechenden Messinstituten.
Literatur
Herr, C. (2012): Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosolen nach VDI 4250 Blatt 1; in KRdL (2012).
KRdL (2012): Mikrobielle Luftverunreinigungen - Messen , Bewerten, Mindern, KRdL-Expertenforum 25.04.2012, Bonn, KRdL-Schriftenreihe 44. Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN - Normenausschuss, Düsseldorf, April 2012.
Kopmeyer, D. (2012): Anforderungen und Bewertung von Keimgutachten in der Genehmigungspraxis für Tierhaltungsanlagen im Landkreis Emsland; in KRdL (2012).
Müller, F. (2012): Keimgutachten im Landkreis Emsland - Erste Erfahrungen und Ergebnisse; in KRdL (2012).
TA Luft (2021): Neufassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes–Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 18. August 2021 (GMBl. Nr. 48 bis 54, S. 1050), in Kraft getreten am 01.12.2021
Tesseraux, I. (2012a): Bioaerosole in der Umgebung von Anlagen - gesundheitliche Bedeutung - Vorschläge zur Prävention, Vortrag in Erfurt am 11.05.2012, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, Baden-Württemberg
Tesseraux, I. (2012b): Vorschläge zur Umsetzung im Immissionsschutz; in KRdL (2012).
van Dort, T.; Koch, E. (2012): Bestimmung und Bewertung landwirtschaftlich bedingter Emissionen und Immissionen in den Niederlanden und in Nordrheinwestfalen. Immissionsschutz 3, 2012, 117-124.
VDI-Richtlinienreihe 4255:
VDI (2005): Bioaerosole und biologische Agenzien. Emissionsquellen und -minderungsmaßnahmen. Übersicht. Richtlinie VDI 4255, Blatt 1. Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN - Normenausschuss, Düsseldorf, Oktober 2004.
VDI (2009): Bioaerosole und biologische Agenzien. Emissionsquellen und -minderungsmaßnahmen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Übersicht. Richtlinie VDI 4255, Blatt 2. Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN - Normenausschuss, Düsseldorf, Dezember 2009.
VDI (2014): Bioaerosole und biologische Agenzien - Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen - Wirkungen mikrobieller Luftverunreinigungen auf den Menschen. Richtlinie VDI 4250, Blatt 1, Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN - Normenausschuss KRdL, Düsseldorf, August 2014.
VDI (2015): Erfassen luftgetragener Mikroorganismen und Viren in der Außenluft; Anlagenbezogene Ausbreitungsmodellierung von Bioaerosolen. Richtlinie VDI 4251, Blatt 3. Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN - Normenausschuss, Düsseldorf, August 2015.
VDI (2017): Erfassen luftgetragener Mikroorganismen und Viren in der Außenluft; Ermittlung der Vorbelastung. Richtlinie VDI 4251, Blatt 4. Hrsg.: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN - Normenausschuss, Düsseldorf, Januar 2017.